Die EU hat grünes Licht für die deutsche E-Auto-Kaufprämie gegeben: Das steuerfinanzierte Geschenk an Autoindustrie und wohlhabende Autokäufer*innen wird kommen. Radfahrende gehen leer aus.
[Update 2. August 2016: Bundesrat plädiert für Prüfung einer Kaufprämie für „Zweiräder“ mit Elektrounterstützung und mit Elektroantrieb „in der betrieblichen Mobilität“. Die Bundesregierung hält das „für nicht erforderlich“. Siehe: Stellungnahmen hier. Der Verbund Service und Fahrrad – VSF widerspricht per Pressemitteilung: „Eine Förderung analog der geplanten Subventionierung von E-Autos könnte helfen, E-Lastenräder stärker zu etablieren und damit zu einer verkehrlichen Entlastung der Innenstädte ebenso beizutragen, wie zu einer Verbesserung der Luftqualität“.
Update 27. Juni 2016: Die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden Württemberg (AFGK-BW) fordert in einem Brief an Bundesverkehrsminister Dobrindt: „300.000 E-Lastenfahrräder mit 1.000 Euro pro Rad fördern!“ Siehe auch Pressemitteilung vom 21. Juni 2016]
Das Bundeswirtschaftsministerium hat gestern am 16. Juni verkündet, dass die EU-Kommission die deutsche Kaufprämie für E-Autos nicht als unerlaubte staatliche Beihilfe einstuft. Damit kann die Kaufprämie von 4000 Euro für reine E-Autos und 3000 Euro für Hybridfahrzeuge demnächst in Kraft treten. Sie soll jeweils zur Hälfte aus Steuermitteln und von den Autoherstellern finanziert werden.
Der EU-Kommission ging es laut FAZ zuletzt noch um die rückwirkende Einführung der Kaufprämie zum 18. Mai. Ob die Beschränkung der Kaufprämie auf E-Autos zulässig ist stand wohl nie zur Debatte. Dabei heißt es zur Prüfung von Beihilfen auf den Seiten der EU-Kommission:
Handelt es sich um eine selektive Beihilfe? Begünstigt die Beihilfe also bestimmte Unternehmen bzw. Wirtschaftszweige oder Unternehmen in bestimmten Regionen?
Hm, was ist denn die exklusive Kaufprämie für E-Autos anderes als eine selektive Beihilfe für die mächtige deutsche Autoindustrie? Verzerrt die Kaufprämie nicht auch den Wettbewerb in der Elektromobilitätsbranche zu Lasten der europäischen Fahrradhersteller? (Laut ZIV-Statistik waren 2015 fast die Hälfte aller in Deutschland verkauften E-Bikes Importe aus anderen EU-Staaten.) Und ist die Kaufprämie allein für E-Autos und aus Steuermitteln finanziert verkehrs-, umwelt- und klimapolitisch nicht extrem dumm und sozial ungerecht?
Seit Herbst 2015 wurde innerhalb der Bundesregierung kontrovers um die Kaufprämie gerungen. In der öffentlichen Debatte spielte die Fahrradlobby leider keine ernsthafte Rolle solange die politische Entscheidung noch offen war. Es blieb dem Fahrrad-Blogger Daniel Doerk von „It started with a fight“ überlassen, die Forderung nach einer Kaufprämie auch für E-Bikes mit dem Slogan #EFürAlle! prominent zu verbreiten und dabei auch eCargobikes hervorzuheben (siehe Titelbild oben). Der ADFC sprang auf – aber leider erst nachdem die Bundesregierung ihre Entscheidung in Sachen Kaufprämie am 27. April verkündet hatte. Eine ADFC-Pressemitteilung vom selben Tag zitiert Bundesgeschäftsführer Stork:
4.000 Euro Kaufprämie für E-Lastenräder – das wäre ein innovatives verkehrspolitisches Signal!
Die taz titelte am Folgetag: „Null Euro Kaufprämie für Fahrräder“. Und selbst die Lausitzer Rundschau fragte: „Wer zahlt eigentlich mein neues Fahrrad mit Elektromotor?“
Am 10. Mai folgte der verkehrspolitische Sprecher des VCD Bundesverband in einem Interview mit dem Freitag:
Besonders bei Lastenrädern ist [ein Pedelec-Antrieb] sehr sinnvoll. Wir vom VCD überlegen gerade, ob wir Menschen unterstützen, die sich jetzt eine Kaufprämie für Pedelecs erklagen wollen.
Am 17. Mai dann die erste offizielle Stellungnahme aus der Fahrradwirtschaft, die mir bekannt ist. Der leider zu wenig wenig beachtete politische Forderungskatalog des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) fordert „[e]ine Kaufprämie von 500.- Euro bei der Neuanschaffung eines E-Bikes.“ Über eine Vorankündigung dieser ZIV-Forderung berichtete der Radmarkt bereits am 8. März.
Der Zug ist jedoch erstmal abgefahren. Die Kaufprämie nur für E-Autos wird in Kraft treten. Bei Pedelecs sei die Marktreife erreicht und damit kein Kaufanreizprogramm nötig heißt es unisono aus Verkehrs- und Umweltministerium. In Interviews auf cargobike.jetzt haben Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth und Verkehrs-Staatssekretärin Dorothee Bär jeweils bekräftigt, das das auch für eCargobikes gelte. Flasbarth:
Anders als bei Elektroautos sind im Fahrradbereich viele „Fahrzeuge“ schon heute preislich konkurrenzfähig. Es geht bei den Cargo- oder Lastenbikes eher darum, gute Beispiele bekannter zu machen und die Infrastruktur für den Einsatz von Farrädern zu fördern […]
Dabei ist eine Kaufprämie seitens des Bundes meines Erachtens nicht sinnvoll. Der Markt für Pedelecs zeigt bereits eine große Dynamik, die Marktentwicklung für Elektrofahrräder ist positiv. Hier ist also eine andere Situation gegeben als bei Elektroautos.
Ohne Frage gibt es einen wachsenden Markt für eCargobikes. Doch die Hersteller von Cargobikes sind fast alle klein bis sehr klein und haben große Probleme, den qualitativen Sprung von der Manufaktur zur industriellen Produktion zu meistern. Die Preise für eCargobikes bleiben deswegen vergleichsweise hoch. Unter 3500 Euro ist ein qualitativ hochwertiges eCargobike bisher nicht zu haben – in vielen Fällen ist es deutlich mehr. Und das ist für viele private wie gewerbliche Kunden schlicht zu teuer.
In einer im Mai vorgestellten Studie des Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt für das Bundesverkehrsministerium heißt es deswegen:
Eine Direktförderung als Investitionszuschuss für (elektrische) Lastenräder oder gewerblich genutzte Fahrräder gibt es derzeit auf Bundesebene nicht. Dieses Förderinstrument sollte aber grundsätzlich in Betracht gezogen werden, da die derzeit noch hohen Anschaffungskosten für professionell nutzbare Lastenräder eine Marktzugangsbarriere insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen darstellt.
Ob eine Kaufprämie tatsächlich das effektivste Förderinstrument ist, die politisch gewollte Verbreitung von eCargobikes zu beflügeln sei erstmal dahingestellt. Solange jedoch nicht zu verhindern ist, dass die Autoindustrie und wohlhabende Autokäufer*innen 600 Millionen Euro Steuergelder für eine ökologisch und verkehrspolitisch fragwürdige Kaufprämie kassieren – solange gilt: #EfürAlle – keine exklusive E-Auto-Prämie! Und vielleicht kommt seitens der Fahrradlobby und der Umweltverbände ja doch nochmal Schwung in die Debatte …
Die Landeshauptstadt München hat es übrigens vorgemacht: Dort gilt seit 1. April die kommunale Förderrichtlinie Elektromobilität mit einer Kaufprämie für gewerblich genutzte E-Autos, E-Scooter, eCargobikes und „normale“ Pedelecs. Und dass, owohl die Stadt Firmensitz von BMW ist!