Auch im Bundesverkehrsministerium sind Cargobikes angekommen. Wieso, erklärt Staatssekretärin Dorothee Bär im Interview mit cargobike.jetzt.
cargobike.jetzt: Frau Bär, was sind die Gründe für die politische Wiederentdeckung des Fahrrads im Wirtschaftsverkehr und speziell der urbanen Logistik durch das Bundesverkehrsministerium (BMVI)? Wie reagierten Wirtschaft und Fachkreise bisher auf die Aufnahme von Cargobikes in den Aktionsplan Güterverkehr und Logistik und auf die jüngst im BMVI vorgestellte Studie über Fahrräder im Wirtschaftsverkehr des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)?
Dorothee Bär: Das Fahrrad spielt im Wirtschaftsverkehr schon lange eine bedeutende Rolle, denken Sie nur an die Briefauslieferung. Auch im Werksverkehr ist das Fahrrad seit Jahrzehnten etabliert und erleichtert dort firmeninterne Abläufe. Zutreffend weisen Sie darauf hin, dass das Fahrrad zunehmend mehr Beachtung findet, nicht nur im individuellen Gebrauch unserer Bürgerinnen und Bürger. Fahrradkuriere und Lieferdienste für Speisen sind im Straßenbild immer deutlicher präsent. Die Lieferdienste nutzen das Fahrrad, weil es sich betriebswirtschaftlich rechnet und die Waren schnell am Ziel sind, da Fahrräder weniger stauanfällig sind und in der Regel keine Parkplatzprobleme haben. Beim Einsatz von größeren Lastenrädern wie beim Start-up Velogista stehen häufig viel Engagement und eine ökologische Motivation dahinter. Zudem interessieren sich viele Kommunen für Lastenräder, weil sie, gerade im KEP-Bereich [Kurier- Paket- und Expresszustellung], Potenziale bieten zur Luftreinhaltung und Emissionsreduzierung. In der Studie, die wir gerade veröffentlicht haben, sind zahlreiche Best-Practice-Beispiele dargestellt. Vor diesem Hintergrund habe ich positive Resonanz aus Wirtschaft und Fachkreisen wahrgenommen, dass wir das Lastenrad in den Aktionsplan Güterverkehr und Logistik aufgenommen haben. Und auch die DLR-Studie ist sehr gut aufgenommen worden, wie Sie in Ihrem Blog, den ich gerade gelesen habe, ja auch beschreiben.
cargobike.jetzt: Die DLR-Studie beschreibt die Potentiale von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr in drei Szenarien, nach denen jährlich 311 bis 875 Millionen geschäftliche Fahrten der Fahrzeugklasse Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Kräder durch Fahrräder bzw. Cargobikes ersetzt werden könnten. Welche politische Bedeutung messen Sie den drei Szenarien bei? Halten Sie es für sinnvoll, aus ihnen eine politische Zielvorgabe für den Radverkehrsanteil im Wirtschaftsverkehr – äquivalent zum Radverkehrsanteil im Personenverkehr – abzuleiten?
Dorothee Bär: Die Szenarien der DLR-Studie sind zunächst einmal eine Orientierung, in welche Richtung sich die Zukunft entwickeln könnte. Gleichzeitig basieren modellierte Szenarien immer auf theoretischen Angaben und Annahmen. Es ist aber natürlich wichtig, Anhaltspunkte dafür zu sammeln, was heute schon möglich ist. Ich hoffe, die Szenarien wirken als Ansporn für alle Beteiligten, das Lastenfahrrad zu nutzen.
Ich halte Vorgaben auf Bundesebene zur Verlagerung des Verkehrs auf das Lastenrad nicht für zielführend, da Radverkehr in erster Linie Aufgabe der Länder und Kommunen ist. Diese können selbst am besten einschätzen, mit welchen Strategien sie verkehrliche Abläufe gestalten wollen und welche Ziele sie erreichen wollen. Das BMVI befürwortet jedenfalls eine zunehmende Verbreitung des Radverkehrs im Wirtschaftsverkehr und fördert dies u.a. mit Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans.
cargobike.jetzt: Die DLR-Studie enthält eine ganze Reihe von Empfehlungen auch an die Bundespolitik. Darunter die Prüfung einer Kaufprämie „für (elektrische) Lastenräder oder gewerblich genutzte Fahrräder“, die Förderung von Pilotprojekten und Modellvorhaben, ein noch deutlicheres Bekenntnis zur Unterstützung des Fahrrad-Wirtschaftsverkehrs zum Beispiel im Nationalen Radverkehrsplan sowie „eine gezielte Kommunikation an Unternehmen oder Verbände“. Welche der Empfehlungen halten Sie für politisch besonders sinnvoll und umsetzbar, welche eher nicht?
Dorothee Bär: Richtig ist, dass im Vergleich zum Status quo immer die Möglichkeit besteht, mehr zu tun. In der Studie werden Anregungen gegeben, die für den Bund, die Länder und die Kommunen gelten.
Dabei ist eine Kaufprämie seitens des Bundes meines Erachtens nicht sinnvoll. Der Markt für Pedelecs zeigt bereits eine große Dynamik, die Marktentwicklung für Elektrofahrräder ist positiv. Hier ist also eine andere Situation gegeben als bei Elektroautos. Allerdings unterstützt der Bund bereits Projekte finanziell, wie bspw. das Projekt „Velotransport“ mit Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplan. Mit dem Projekt sollen die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Lastenrädern einer breiten Öffentlichkeit kommuniziert werden. Der Bund hat zudem im Rahmen des Projekts „Lastenräder im Einsatz – Emissionsfreie Logistik bei Großveranstaltungen und Großeinrichtungen“ den Einsatz von Lastenrädern im Rahmen des 34. Evangelischen Kirchentags in Hamburg erproben lassen. Weiter wird ein Projekt unterstützt, welches die Einsatzpotenziale von elektrisch unterstützten Lastenrädern anhand einer umfassenden technologischen und wirtschaftlichen Analyse der Prozesse in der Stadtreinigung Hamburg untersuchen soll. Das Projekt startet in diesem Jahr.
Über die genannten Projekte hinaus zeichnet das BMVI weiter jährlich Projekte mit dem Deutschen Fahrradpreis aus, die einen besonderen Beitrag zur Radverkehrsförderung in Deutschland geleistet haben. Der Bund setzt sich für den Radverkehr ein, fördert Projekte und agiert als Plattformgeber, Moderator und unterstützt bei der Kommunikation. Die Handlungsempfehlungen der Studie werden bereits verfolgt.
Mit den Ergebnissen der Studie des DLR werden wir zusätzlich einen Handlungsleitfaden für Länder, Kommunen und Unternehmen erarbeiten und damit eine weitere Handlungsempfehlung der Studie erfüllen.
Zur Person:
Dorothee Bär (CSU) ist seit 2002 Bundestagsabgeordnete und seit Dezember 2013 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Als Koordinatorin für Güterverkehr und Logistik ist sie innerhalb der Bundesregierung für die Vernetzung der Themen und Aktivitäten im Bereich Güterverkehr und Logistik zuständig.
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