Studie: 1 Milliarde Euro für Cargobike-Förderung pro Jahr!

Peter Altmaier 2012 als Bundesumweltminister. Foto: Benjamin Georg / www.cargobike.berlin

Eine Studie für das Bundesumweltministerium schlägt eine massive Cargobike-Förderung als Teil eines Konjunkturprogramms vor.

[Update vom 1. Juli 2020: Im Rahmen des inzwischen beschlossenen Konjunkturprogramms gibt es in Deutschland seit heute doppelt so viel staatliche Kaufprämie für E-Autos (inklusive verkappten Verbrennern mit Hybrid-Antrieb) als zuvor. Fahrräder und Cargobikes gehen wieder leer aus. Die grüne Bundestagsabgeordnete Filiz Polat erhielt am 17. Juni 2020 im Bundestag dazu Antwort:

Die Bundesregierung hat derzeit keine generelle Kaufprämie für Lastenfahrräder oder E-Lastenfahrräder geplant. Für den gewerblichen Bereich wird dies basierend auf der derzeit bestehenden Förderung für Schwerlastenfahrräder geprüft. Auch für den Bereich der (E-)Lastenfahrräder gelten die Anreize des Coronakonjunkturpakets wie zum Beispiel die Mehrwertsteuerreduzierung, die zusätzliche Kaufanreize schaffen sollen.] 

Am 25. Mai 2020 hat das Bundesumweltministerium die 39seitige von vier Instituten erstellte Studie „Sozial-ökologisch ausgerichtete Konjunkturpolitik in und nach der Corona-Krise“ veröffentlicht.

Die vier an der Studie beteiligten Institute.

Im Verkehrskapitel fordert die Studie eine bundesweite Kaufprämie für alle Cargobikes. Zur bestehenden Kaufprämie des Bundes für besonders große gewerbliche E-Schwerlasträder heißt es:

Die Förderung sollte bundesweit auf kleinere und nicht elektrische Lastenräder erweitert und bis Ende 2021 verlängert werden (Bundesförderung aktuell bis 28.2.2021 begrenzt). Die verfügbaren Mittel sollten auf insgesamt (Bund und Länder) 1 Mrd. Euro jährlich erhöht werden.

Hauptprofiteure einer Verlängerung und einer Aufstockung der Förderprogramme wären private Haushalte und Unternehmen (u.a. Logistikbetriebe und Einzelhandel mit Warenlieferung). In Städten besteht das Potenzial rund 50 % aller Transporte auf Lastenräder zu verlagern (Monheim et al. 2016). Auch die Verlagerungen im Pendel- und Freizeitverkehr hätten positive Auswirkungen u.a. in den Bereichen Luftreinhaltung, Klima, Lärm und Flächennutzung.

Eine Milliarde Euro Kaufprämie jeweils 2020 und 2021 – das wäre ein wichtiger Durchbruch für Cargobikes und die Verkehrswende!

Mit einer bundesweit einheitlichen Kaufprämie für alle Cargobikes würden auch zwei Ziele des Kaufprämien-Überblick erreicht:

Die Fixierung auf E-Autos bei der Förderung der Elektromobilität überwinden.

Attraktive Kaufprämien für alle Cargobikes als längerfristige Bundesaufgabe etablieren, um Gerechtigkeit und Effizienz der Förderung zu steigern.

Per Klick auf’s Bild geht’s zu über 60 aktuellen Cargobike-Kaufprämien.

Förderung auch für „normale“ Fahrräder und effiziente E-Autos vorgeschlagen

Die Studie für das Bundesumweltministerium schlägt neben den jährlich einer Milliarde Euro für Cargobikes auch 1,5 Milliarden Euro Kaufprämie für „normale“ Fahrräder vor. Und zwar im Rahmen einer „Umstiegsprämie“, die „entweder für den Kauf von Fahrrädern oder für den ÖPNV oder die Bahn ausgegeben werden kann“.

Im Vordergrund beim Thema Radverkehr steht in der Studie jedoch zu Recht der Ausbau von Fahrradinfrastruktur. Konkrete Euro-Beträge für das Konjunkturprogramm werden hier allerdings nicht genannt.

Wieso Radverkehrsförderung Bestandteil eines Konjunkturprogramms sein sollte?:

Investitionen in die Radverkehrsbranche haben einen besonders hohen direkten Beschäftigungseffekt sowie indirekte Nutzen für Einzelhandel, Gastronomie etc. (Blondiau et al. 2016). In Deutschland generiert die Branche einen jährlichen Umsatz von 13,5 Mrd. Euro und beschäftigt ca. 140.000 Menschen (Monheim et al. 2016). Fallstudien (z.B. in New York, siehe DOT 2013) beschreiben den wirtschaftlichen Nutzen des Radverkehrs und einer nachhaltigen Straßenplanung für einige Wirtschaftsbereiche wie Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus. In diesen Bereichen sind von den Auswirkungen der Krise besonders viele Arbeitsplätze bedroht. […]

Die Stärkung des Radverkehrs wäre timely, targeted, temporary und transformative. Das Fahrrad ist während der Krise ein zentrales Fortbewegungsmittel und stützt verschiedene betroffene Bereiche direkt oder indirekt. Vergleichsweise kleine Investitionen haben großen Nutzen und die temporären Veränderungen haben das Potential einen substantiellen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten – insbesondere mit Blick auf den städtischen Pendel- und Transportverkehr.

Bei Autos schlägt die Studie übrigens eine „bis Mitte 2021 begrenzte Erhöhung der Umweltprämie um 3.000 Euro“ ausschließlich für „rein elektrische Pkw mit niedrigem bis mittlerem Verbrauch“ vor.

Umweltministerin stellt Studie vor, Autogipfel am 2. Juni

Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellt am 28. Mai um 19 Uhr die Studie in einer Live-Diskussion vor. Teilnahmeinfos gibt es hier. Nicht dabei ist leider Wirtschaftsminister Altmaier, der die gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesregierung mit der Autolobby leitet.

Der SPIEGEL hat bereits am 22. Mai berichtet, dass die Bundesregierung wohl eine Kaufprämie auch für Autos mit Verbrennermotor und einem CO2-Ausstoß weit über dem aktuellen EU-Flottengrenzwert einführen will. Am 2. Juni soll beim nächsten Autogipfel entschieden werden.

Wirtschaftsminister Altmaier 2012 als Bundesumweltminister. Ob er bis zum Autogipfel am 2. Juni wieder die Kurve kriegt?

Welchen Einfluss die Studie und die Bundesumweltministerin auf den Autogipfel am 2. Juni noch haben? Das hängt auch davon ab, wie lautstark sich jetzt Protest äußert. Immerhin sind 63 Prozent aller Deutschen gegen eine Kaufprämie für Autos.

Gegen Kaufprämie für Autos protestieren!

– Unterschriftenaktionen von

Bundesweiter Aktionstag „Sand im Getriebe“ am 29. Mai
Verbände- und Unternehmensbündnis #MobilPrämieFürAlle


Lesenswerter Rückblick

Im November 2015 erschien auf cargobike.jetzt der Beitrag Elektromobilität: 1 Million Cargobikes bis 2020!. Das war eine Reaktion auf die Debatte um die Einführung einer bundesweiten Kaufprämie für E-Autos. Eine Million E-Autos bis 2020 war damals das Ziel der Bundesregierung. Es wurde weit verfehlt während kommunale und landesweite Kaufprämien für Cargobikes durch die Decke gingen.

Heute liegt die politische Messlatte bei 10 Million E-Autos bis 2030. Mit einer Milliarde Euro bundesweiter Kaufprämie pro Jahr schaffen wir das mit Cargobikes locker. Und ersetzen dabei jede Menge ressourcenineffiziente Autos – egal welchen Antriebs!


Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung des Projektes CityChangerCargoBike. Das Projekt wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 769086 finanziert.


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