Letzte Woche wurde der Lastenrad-Hersteller Babboe in den Niederlanden angewiesen, den Handel mit seinen Lastenrädern einzustellen. Die Nachricht schlägt seitdem Wellen und verunsichert viele Kund:innen und Lastenradler:innen. Verstärkt wird dieser Effekt von Medien, in denen die Brücke zu Lastenrad-Sicherheit allgemein geschlagen wird. Leider verfallen dabei viele Beiträge reißerischer und pauschalisierender Berichterstattung. Es bedarf einer Einordung.
Was war passiert?
Eine Investigativ-Recherche des niederländischen Senders RTL.nl berichtete am 9. Februar über die potenzielle Gefahr von Haarrissen und Rahmenbrüchen bei Babboe-Lastenfahrrädern. Am 14. Februar informierte dann die niederländische Behörde für Lebensmittel- und Verbrauchsgütersicherheit (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit, NVWA) in einer Pressemitteilung über einen angeordneten Verkaufsstopp mehrerer Modelle. Dieser gilt solange, bis der Hersteller die Sicherheit ihrer Räder hinreichend nachweisen kann und eine vollständige technische Dokumentation nachreicht. Die NVWA beschuldigt Babboe, dass Meldungen über Rahmenbrüche nicht wie gesetzlich vorgeschrieben nachgegangen sei. Nun warnt die Behörde Verbraucher:innen vor der Verletzungsgefahr durch einem Rahmenbruch während der Fahrt.
Babboe ist einer der größten Lastenrad-Hersteller der Welt und es sind mehrere zig Tausend Lastenräder betroffen. Die wirtschaftlichen Folgen und der Image-Schaden für das Tochterunternehmen der Accell-Gruppe sind eine Katastrophe. Für Kund:innen bietet der ADAC eine Infoseite mit Tipps und juristischen Einschätzungen. Auch im Cargobike-Forum gibt es einen Thread zum Verkaufsstopp.
Wie wurde über den Fall berichtet?
Die taz titelte zu dem Fall unter der verallgemeinernden Überschrift „Bye-bye, Bike„. Das ZDF verwendete als „Symbolbild“ ein Pressebild von einem Crashtest der Unfallforschung der Versicherer [Anmerkung: Mehr Informationen zum Crashtest folgen im ersten blauen Kästchen weiter unten], in dem ein Lastenrad eines anderen Herstellers mit 24 km/h frontal auf einen Dummy auffährt. Dass ein Rahmenbruch in einem derlei drastischen Szenario endet, ist allerdings unwahrscheinlich. Wenngleich natürlich über das Sicherheitsrisiko bei Babboe-Lastenrädern berichtet werden muss, so sind Ungenauigkeiten wie diese Text-Bild-Schere bedauerlich und schädlich für das Ansehen von Lastenrädern allgemein.
„Sind Lastenräder allgemein gefährlicher als herkömmliche Räder? Lastenräder stehen im Verdacht, ein relativ gefährliches Verkehrsmittel zu sein – ob nun der Rahmen bricht oder nicht. Mit Zahlen des Statistischen Bundesamtes lässt sich das bisher nicht belegen, weil Lastenräder bisher nicht als eigene Kategorie in der Verkehrsunfallstatistik erfasst werden. Aber dass von Lastenrädern eine höhere Gefahr ausgeht als von herkömmlichen Fahrrädern, ist simple Physik. »Geschwindigkeit und Masse sind die beiden Parameter, die das Unfallgeschehen dramatisch beeinflussen«, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann. Für Lastenräder gilt: Sie sind schwerer als herkömmliche Räder, erst recht mit Kind oder Getränkekiste. Und sie sind oft schneller, weil sie meist einen Elektromotor haben. Unfallforschern wie Brockmann macht der Trend zu mehr Radverkehr, so erfreulich er fürs Klima ist, deshalb auch Sorgen. Denn zunehmend schnelle und schwere Räder – auch E-Bikes zahlen auf diesen Trend ein – sind in erster Linie für Fußgänger gefährlich. Im Jahr 2022 kamen laut einer kürzlichen Untersuchung von Brockmann schon mehr als 720 Personen bei Zusammenstößen zwischen Radlern und Fußgängern zu Schaden, 13 davon starben. Lastenräder wurden hierbei allerdings nicht gesondert ausgewiesen.“
Aus dem Artikel „Versprochen, gebrochen“ von Henrik Bahlmann und Lukas Kissel, SPIEGEL ONLINE, 16.02.2024
Verkürzt und irreleitend
Unabhängig davon, wie sich so eine Argumentation – größeres und schnelleres Fahrzeug = größeres Risiko – eigentlich zur alternativen Fahrzeugauswahl eines 30 bis 50 km/h schnellen und 1.500 kg schweren PKW verhält, so sollten bei einer Risikobewertung wichtige Faktoren nicht einfach ausgeblendet werden. Wichtig wäre z.B., inwieweit sich neben Infrastruktur noch das Fahrverhalten unterschiedlicher Nutzer:innen auf Wahrscheinlichkeiten auswirken. Eltern, die ihre Kinder auf dem E-Lastenrad mitnehmen, fahren i.d.R. defensiver als junge Männer [Anmerkung: Vgl. Forschungsbericht der UDV Seite 44/45] auf einem E-Mountainbike. Die Textpassage betont zwar, dass es keine aussagekräftigen Daten gibt, dennoch ist die Rede vom „Verdacht, relativ gefährlich zu sein“, „Unfallforschern macht der Trend Sorgen“, sowie 13 Toten.
Man stelle sich vor: In Berichten zu Lenkproblemen bestimmter motorisierter Nutzfahrzeuge stände, dass allgemein Kraftfahrzeuge in Unfälle verwickelt sind, dass im Jahre 2022 142 Fußgänger:innen durch Kraftfahrzeuge ums Leben gekommen sind [Anmerkung: Das ist sogar nur die Zahl mit Kraftfahrzeugen als Hauptunfallverursachenden] und dass sich Unfallforscher:innen daher Sorgen machen. Wie würde das wirken?
Hintergrund: Forschungsbericht der UDV
Siegfried Brockmann ist der Chef der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Im Herbst letzten Jahres präsentierte er Zahlen zu „Innerörtlichen Unfällen zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden“. Die UDV stellte fest: Die Zahl der polizeilich registrierten Fuß-Rad-Unfälle stieg von 2002 bis 2022 um 24 Prozent. Im Vergleich der Jahre 2016 zu 2022 hat sich der Anteil der Unfälle mit Pedelecs vervierfacht – was durch die zunehmende Anzahl der Pedelecs auf den Straßen erklärbar ist. Die UDV differenziert, auf welchen Flächen die Unfälle passierten (z.B. 54 Prozent auf Radwegen) und wer Unfallverursacher war (zu 59 Prozent Radfahrende – davon wiederum 79 Prozent männlich). Am Ende der Präsentation wurden mehreren Empfehlungen ausgesprochen – überwiegend zur Verbesserung der Infrastruktur (z.B. „Reduzierung des ruhenden Kfz-Verkehrs an Stellen mit hoher Querungsfrequenz zu Fuß Gehendender“) sowie eine „Verhaltenskampagne für beide Beteiligten, vor allem junge Radfahrende“.
Dann entschied sich die UDV einen medienwirksamen Crashtest zwischen Lastenrad und Passanten zu inszenieren, sodass Bildmaterial der Infoseite zur Forschung, sowie die anschließenden Medienberichte den Fokus aufs Lastenrad lenkten. Es folgten Überschriften wie „So gefärlich sind Lastenräder wirklich“ (Bild) oder „Lastenräder – die unterschätzte Gefahr“ (SPIEGEL ONLINE). Dass der 156 Seiten lange Forschungsbericht der UDV jedoch kein einziges mal explizit Lastenräder betrachtet – scheinbar irrelevant!
Zahlen bitte in Relation setzen!
Für einen aussagekräftigeren Vergleich der Jahre 2002 und 2022 müsste noch betrachtet werden: Sind mehr Menschen Fahrrad gefahren oder zu Fuß gelaufen und wurden insgesamt längere Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurück gelegt? Die Analysen zum Radverkehr und Fußverkehr bieten Zahlen zum so genannten „Modal Split“. Darin stieg der Anteil von Fahrradfahrenden am gesamten Verkehrsaufkommen zwischen 2002 und 2017 von 9 auf 11 Prozent – innerhalb der Radfahrenden ergibt das ein Wachstum von 18 Prozent. Das Verkehrsaufkommen zu Fuß war zwar von 23 auf 21 Prozentpunkte gesunken, doch in der Verkehrsleistung verzeichneten Fußgänger:innen einen Anstieg von 6 Prozent. Beim Fahrrad stieg die Verkehrsleistung sogar um 37 Prozent [Anmerkung: Für einen Vergleich mit dem Jahr 2022 sollten sogar noch die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit einem weiteren, deutlichen Anstieg des Radverkehrs den Wert erhöhen].
Die UDV spricht selber von einem Trend aufs Rad. Dass nun dennoch ein Anstieg der absoluten Fuß-Rad-Unfall-Zahlen mit einem Verdacht kombiniert werden, dass von Pedelecs bzw. Lastenrädern ein „erhöhtes Risiko“ ausgehen würde – wenngleich die relative Häufigkeit von Fuß-Rad-Unfällen seit 2002 zurückgegangen sein müsste – ist mindestens unglücklich kommuniziert.
Einseitige Problematisierung
Dass Medien wiederholt Fragen zur Sicherheit im Straßenverkehr zulasten von Lastenrädern framen, zeigt auch ein Beispiel aus dem letzten Frühjahr.
„Das Tükische ist eigentlich, dass wir sehr weit hinten sitzen bei einem Lastenfahrrad, weit vorfahren müssen, damit wir die Straße nach links und rechts ordentlich einsehen können – und wenn wir soweit vorfahren müssen, besteht immer das Risiko, dass vielleicht ein anderer Verkehrsteilnehmer, der auf der Straße sich befindet, dann gegen den Vorbau fährt.“
Markus Eggenhaus, in Unterschätzte Gefahr Lastenrad – wie gefährlich ist das Rad wirklich?, SAT.1 Frühstücksfernsehen, 02.04.2023
„Wir haben die Schwierigkeit, dass die Lastenfahrräder länger als Fahrräder sind, und – so wie beim Pedelec – viele Autofahrer noch nicht mitrechnen, dass die viel schneller sind, als erwartet. Das heißt man sieht vielleicht den Fahrer, aber die Kinder können sich gut eineinhalb Meter davor bewegen.“
Jörg Weinrich, in Gefahren-Transport: Warum Kinder auf Lastenrädern nicht sicher sind, ProSieben Newstime, 28.03.2023
Während Markus Eggenhaus hier einen Umstand beschreibt, der nicht Longtails, dafür aber ebenfalls Autos mit Motorhaube oder das Kreuzen einer Straße mit einem Kinderwagen oder einer Schubkarre betrifft, so glänzt Jörg Weinrich durch irritierende Vorstellungen zu den Dimensionen eines Lastenrads. Besorgniserregend ist seine Annahme, dass viele Autofahrende, erstens, nicht damit rechen, dass Fahrradfahrende 25 km/h schnell sein können, und zweitens, nicht die Übersicht darüber haben, was neben ihnen fährt. Hier vonseiten der Medien ein Sicherheitsproblem der Lastenräder zu framen, ist eine Täter-Opfer-Umkehr.
Nicht umsonst fordern viele Verbände und Organisationen wie Zukunft Fahrrad, Changing Cities oder der ADFC Verbesserungen der Infrastruktur, um Unfallrisiken für alle Verkehrsteilnehmenden zu reduzieren. Denn egal ob Lastenradfahrer, Kind auf eigenem Fahrrad, Teenagerin auf einem Scooter, Rentnerpaar mit Hund, oder eine ganze Gruppe Fußgänger:innen – im innerörtlichen Straßenverkehr sind sie alle vor allem der Betriebsgefahr von 30 bis 50 km/h fahrenden Autos ausgesetzt.
Hintergrund: Lastenrad-Crashtests vom 28. März 2023
Markus Eggenhaus arbeitet bei der Prüfgesellschaft Dekra. Jörg Weinrich ist Geschäftsführer der Landesverkehrswacht NRW. Zusammen mit der Westfälischen Provinzial Versicherung hatten sie vergangenen März im Rahmen der Kampagne Sicher starten mit dem Lastenrad Medienvertreter:innen zu zwei Crashtests mit Lastenrädern eingeladen. Dabei war die Kampagne gut gemeint gewesen. Für Lastenrad-Anfänger:innen bieten Informationsseite und Flyer empfehlenswerte Tipps – z.B. was vor der ersten Fahrt zu beachten ist, oder dass Kinder Helm tragen und angeschnallt sein sollten. Für die Pressearbeit hätte sich passendes Bildmaterial finden können – beispielsweise ein Foto von einem Kind, dass einen Helm aufgesetzt bekommt, oder die bunten Illustrationen, die extra für die Kampagne angefertigt wurden.
Stattdessen dominierte die Berichterstattung die „Action“ der beiden Crashtests. Ein circa 1.500 kg schwerer Kombi krachte mit 50 km/h in ein etwa zehn Mal so leichtes Lastenrad und schleuderte es weg. Ein anderer Test führte anhand eines Kinderdummys vor, was jeweils passiert, wenn bei einer Vollbremsung mit einem Long John das Kind in der Box angeschnallt ist oder nicht.
Wichtiges ausgeblendet
In einem Videobeitrag des Senders RTL wird nur der Testverlauf mit unangeschnalltem, herausfallendem Dummy gezeigt. Vier Mal. Aus unterschiedlichen Perspektiven. Einmal in Zeitlupe. Anschließend beschreibt ein Unfallanalytiker vor dem auf den Boden liegenden Dummy, dass das Geräusch des Aufpralles des Kopfes für alle Anwesenden sehr eindringlich gewesen sei. Dass die Vollbremsung mit Gurt jedoch demonstrierte, dass in diesem Szenario selbst ein schlaffer Dummy ohne Körperspannung sicher sitzen bleibt – das schien für die Redaktion des Senders RTL zu unwichtig zu sein, um es zu zeigen.
Zum Teil absurde Behauptungen!
„Eine Vollbremsung, ein lauter Aufprall – dann wird das schwere Lastenfahrrad fast 15 Meter weit durch die Luft geschleudert. Überall liegen Trümmer. Diesmal ist es zum Glück nur ein Crashtest, doch genau solche Vorfahrts-Unfälle passieren jeden Tag in den Städten. Und anders als im Crashtest sitzen in der Realität oft kleine Kinder vorne in dem Lastenkorb.„
Marc Herwig, in Kampagne macht auf Gefahren mit Lastenrädern aufmerksam, dpa, u.a. Süddeutsche Zeitung, 28.03.2023
Laut ZIV-Marktdaten wurden 2019 ≈76.000, 2020 ≈103.000, 2021 ≈165.000 und 2022 ≈210.000 Lastenräder verkauft. Bei einer halben Million Lastenräder – den Bestand von vor 2019 nicht mitgerechnet – kommt es natürlich vor, dass das ein oder andere Lastenrad in einen Unfall verwickelt ist. Explizite Daten zu Unfällen mit Lastenrad-Beteiligung gibt es (noch) nicht. Die Statistik Kinderunfälle im Straßenverkehr 2021 fasst jedoch alle Straßenverkehrsunfälle zusammen, bei denen Kinder entweder in einem Lastenrad, in einem Fahrrad-Anhänger, in einem Kindersitz eines anderen Fahrrads, oder auf einem eigenem Fahrrad saßen. Bei den unter 10 Jährigen [Anmerkung: spätestens ab dem Alter fahren Kinder i.d.R. mit dem eigenen Fahrrad] waren die Folgen der Unfälle: Ein getötetes und 241 schwerverletzte Kinder.
So tragisch diese Zahlen sind, sie verleihen der Textpassage von Marc Herwig eine gewisse Ironie. Sollten tatsächlich „genau solche Vorfahrts-Unfälle“ an 365 Tagen im Jahr passieren – wohlgemerkt allein im urbanen Raum – und sollten dabei „in der Realität oft kleine Kinder vorne“ sitzen – dann hieße das im Umkehrschluss: Im Lastenrad zu sitzen, ist eine abgefahrene Sicherheitsgarantie für Kinder! Schließlich hätten viele einen Unfall überlebt, bei dem sie von einem 50 km/h schnellen Auto angefahren und mehrere Meter weit geschleudert wurden. Deutlich naheliegender ist jedoch: Genau solche dramatischen Unfälle passieren nicht so häufig. Die Zahlen zeigen vielmehr, dass für die Darstellung – dass Lastenräder für Kinder gefährlich sein sollen – verhältnismäßig wenige zu Schaden kommen.
Fazit
Lastenräder sind ein Reizthema geworden und sie werden gerne problematisiert. Mit dem Framing, dass Lastenräder ein Sicherheitsrisiko für Kinder seien, erfolgt zudem eine Emotionalisierung der Diskussionen über Lastenrad-Sicherheit. Bedauerlicherweise lenken einseitige Berichte davon ab, dass Risiken im Straßenverkehr vor allem mit dem motorisierten Verkehr (PKW, LKW,…) zusammenhängen und auf eine optimierungsbedürftige Infrastruktur sowie Verhaltensweisen zurückzuführen sind.
Desweiteren bauen Diskussionen über Lastenrad-Sicherheit häufig auf verkürzte Darstellungen, Vermutungen und Verdachtsbasis. Für mehr Klarheit wäre es wünschenswert, wenn sich die Datengrundlage zu Lastenrädern verbessert – z.B. Unfallstatistiken, die Lastenräder separat aufführen und je nach Typ und Größe differenzieren. Selbstverständlich sind Lastenradler:innen in der Pflicht vorsichtig zu fahren und auf die Sicherheit des Fahrzeuges zu achten.
Von der medialen Berichterstattung sollten wir uns nicht verunsichern lassen. Zeitdruck in der Medienwelt und sogenanntes Clickbaiting verleiten leider häufig zu vorschnellen und reißerischen Artikeln. Die Stunde der differenzierten Betrachtung durch einordnende Expert:innen erfolgt dann, wenn Nachrichten bereits durchs Netz kursieren.
In Bezug auf den Fall Babboe heißt es abwarten und keine, vorschnellen Schlüsse ziehen. Was der Fall insgesamt für die Lastenrad-Branche zur Folge hat, bleibt abzuwarten. An dieser Stelle sei allerdings betont, dass viele Expert:innen an der Lastenrad-Sicherheit arbeiten. Seit Anfang 2020 definiert die DIN 79010 Sicherheitsanforderungen und Prüfverfahren für Lastenräder. Dass eine niederländische Behörde einen Verkaufsstopp angeordnet hat, ist ein sichtbares Indiz dafür, dass Sicherheitsansprüche an Lastenräder mit Intensität verfolgt werden.
Wichtig!
Lastenrad ist nicht gleich Lastenrad. Kindersitz nicht gleich Kindersitz. Anschnallgurt nicht gleich Anschnallgurt. 2020 führte eine schweizer Versicherung einen Crahtest durch und ließ ein Lastenrad mit 25 km/h auf einen PKW auffahren. Dabei wurde ein mangelhafter Schutz für die Kinder in der Box festgestellt. Das Ergebnis wurde anschließend auf Lastenräder verallgemeinert. Damit unzufrieden, stellte das Koblenzer Unternehmen Ca Go Bike den Versuch mit ihrem Lastenradmodell und Kindersitzen mit 5-Punkt-Gurten nach. Das Ergebnis war ein völlig anderes. Ein unabhängiges Sachverständigenbüro bescheinigte dem Modell ein „überzeugendes Maß an Sicherheit“.
Hilfreiche Kommentare zum Fall Babboe
„Es ist wichtig, dass Menschen, die ein Lastenrad benutzen, sich auch informieren – in die Bedienungsanleitung gucken, wie schwer sie das Rad überhaupt beladen dürfen – damit die Räder nicht überladen werden.“
ADFC, Quelle: MDR
„In zwei Jahren gab es beim Modell Curve weniger als 20 Berichte über Haarrisse oder Rahmenbrüche bei über 50.000 verkauften Fahrrädern.“
Pippa Wibberley, Geschäftsführerin des Fahrradherstellers Babboe, Quelle: RTL.nl
„Der deutsche Lastenrad-Markt zeichnet sich durch eine Vielfalt von Anbietern und Modellen für die private und gewerbliche Nutzung aus. Aktuell macht allerdings ein niederländischer Hersteller Schlagzeilen. Klar ist: Produktsicherheit ist für die Verkehrssicherheit essentiell. Rückrufe von Produkten kommen deswegen in allen Branchen vor. Gerade erst musste VW weltweit über 47.000 Modelle verschiedener Baureihen wegen Brandgefahr zurückrufen.
Insgesamt gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes Unfallgeschehen mit Lastenrädern in Deutschland. Im Gegenteil: „Lastenräder sind im Straßenverkehr besonders auffällig und sichtbar“, sagt Arne Behrensen, Lastenrad-Experte bei Zukunft Fahrrad. „Außerdem fahren Eltern mit Kindern an Bord eher defensiv. Beides senkt die Unfallgefahr. Würden mehr Menschen und Unternehmen ihre Transporte mit dem Lastenrad statt dem Auto erledigen, wäre der Straßenverkehr für alle sicherer und ruhiger.Konsument:innen sollten auf Sicherheitsstandards der Branche achten und sich im Fachhandel beraten lassen. Seit 2019 gibt es einen DIN Standard für die Produktsicherheit von Lastenrädern.“
Pressestatement von Zukunft Fahrrad zu Produkt- und Verkehrssicherheit von Lastenrädern, 16.2.2024
Titelbild: Babboe [Anmerkung: Das Modell Flow, das letztes Jahr auf der Carobike Roadshow dabei war, ist übrigens keines der bisher explizit betroffenen Modelle]
Ergänzung: Die Crashtests vom 28. März 2023 und die anschließende Berichterstattung werden auch in einem Video von Tilman Sander von der Radelbande sowie von einem persiflierenden Artikel des Postillons thematisiert und eingeordnet.