Bundesumweltministerin Schulze und Berlins Verkehrssenatorin Günther gaben gestern das Startsignal für KoMoDo. Fünf große Unternehmen testen die Paketzustellung per Mikrodepot und Cargobikes.
Der vollständige KoMoDo-Titel beschreibt, worum es dabei genau geht: „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“. Anlässlich des Berliner Symposiums der European Cycle Logistics Federation Mitte April wurde der KoMoDo-Start bereits angekündigt. Nun war offizieller Pressetermin am gemeinsamen Mikrodepot-Standort. Der Presseandrang auf der Straßenbahn-Wendeschleife in der Eberswalder Straße in Berlin-Prenzlauer Berg war enorm.
Da es nicht um Konsolidierung von Sendungen zwischen den beteiligten Paketzustellern geht, mietet jedes Unternehmen auf dem umzäunten Gelände seinen eigenen Mikrodepot-Container. Es liefert dorthin morgens mit einem eigenen LKW die eigenen Pakete an und startet von dort mit eigenen Cargobikes die Feinverteilung in den umliegenden Wohngebieten. Anfangs sollen insgesamt zwölf Cargobikes bei den fünf Unternehmen im Einsatz sein. Neutraler Betreiber der Gesamtanlage mit acht Schiffscontainern ist die senatseigene Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (BEHALA). Für Details und Statements der beteiligten Akteure dokumentiere ich unten die Pressemitteilungen des Bundesumweltministeriums und der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Bilder vom Pressetermin und den vorgestellten Cargobikes gibt es in dieser Bildergalerie:
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Als Hintergrund sei noch erwähnt, dass der Berliner Senat bereits 2016 beim Bundesumweltministerium die Förderung für KoMoDo beantragt hat. Damals regierte in Berlin noch eine große Koalition mit sozialdemokratischen Verkehrssenator. Der neue rotrotgrüne Senat, die von den Grünen gestellte Verkehrssenatorin Regine Günther und ihr Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) haben urbaner Logistik mit Cargobikes zwar einen ganz neuen politischen Stellenwert gegeben. KoMoDo ist jedoch bereits älter als der rotrotgrüne Senat. Selbst das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium bekannte bereits 2015 im neuen Aktionsplan Güterverkehr und Logistik der Bundesregierung:
Das BMVI unterstützt weiterhin die Länder und Kommunen, gute Beispiele zur Entwicklung innovativer Logistikkonzepte und Lösungen für den Güterverkehr auf ‚der letzten Meile‘ zu finden. Darüber hinaus sollen die stärkere Verbreitung elektrischer Lieferfahrzeuge und Lastenfahrräder sowie eine entsprechende Anpassung urbaner Logistikkonzepte mit einer verbesserten kommunalen Verkehrsplanung unterstützt werden.
So lag bei der KoMoDo-Vorstellung auch die Frage eines Journalisten an Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nahe: „Wieso ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eigentlich heute nicht hier?“ Die Ministerin verwies routiniert auf eine gemeinsame Linie, die man verfolge und darauf, dass KoMoDo nun mal ein vom Bundesumweltministerium gefördertes Projekt sei.
Ebenfalls zur Vorgeschichte von KoMoDo gehört die anfängliche Beteiligung von sieben Unternehmen am Projektkonsortium: DHL, DPD, GO!, Hermes, GLS, TNT und UPS. Mit TNT und GO! sind zwei Unternehmen im Laufe der Zeit aus dem Projekt ausgestiegen. Auch die führenden Berliner Pioniere der urbanen Logistik mit Cargobikes, die Unternehmen messenger und Velogista, sind nicht an KoMoDo beteiligt. Das Unternehmen Imagine Cargo hat derweil für Mitte Juni die Eröffnung eines anbieteroffenen „CityHub“ zur nachhaltigen Paketzustellung in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg, Treptow und Friedrichshain angekündigt.
Und die Arbeitsverhältnisse der meist bei Subunternehmern angestellten Fahrer? Außer der Frage nach dem Wetterschutz spielte sie beim offiziellen Teil des KoMoDo-Pressetermins leider keine Rolle. Ein Unternehmensvertreter sagte im bilateralen Gespräch: Bei der derzeit guten Wirtschaftslage müsse man eh über dem Mindestlohn zahlen, um überhaupt Zusteller zu finden. Zu „Rahmenbedingungen und Herausforderungen“ derjenigen, die mit Fahrradfahren ihr Geld verdienen geht übrigens am 26. Juni das Webinar Radfahren als Beruf der Fahrradakademie am Deutschen Institut für Urbanistik nach.
Der ganz große Wurf für eine nachhaltige Innenstadtlogistik ist KoMoDo definitiv noch nicht. Eher ein wichtiges Herantasten. Richtig ernst mit dem Wandel dürfte es werden, wenn regulative Maßnahmen die Nutzung des Straßenraums durch dieselbetriebene Mikrodepots erschweren oder untersagen.
[Letzte Aktualisierung mit zusätzlichem Hinweis zu CityHub von Imagine Cargo und Frage der Arbeitsverhältnisse am 31.5.2018 um 12.00 Uhr. Alle Bilder: cargobike.jetzt]
Dokumentation
1. Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums, 30.5.2018
Bundesumweltministerin Schulze eröffnet Berliner Modellprojekt für umweltfreundlichen Lieferverkehr
Ab Juni testen die fünf größten deutschen Paket- und Kurierdienste den Einsatz von Lastenrädern, so genannte Cargo-Bikes, in der Berliner Innenstadt. Gerade im städtischen Bereich bieten diese Räder auf der „letzten Meile“ eine umwelt- und verkehrsfreundliche Alternative zu kleineren LKW. Die Räder haben keine Schadstoffemissionen und verursachen kaum Störungen im Verkehr. Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt mit rund 400.000 Euro aus den Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Das Berliner Pilotprojekt verdeutlicht sehr gut, wie Mobilität und Umweltschutz zunehmend Hand in Hand gehen. Und das ist gut so: Denn für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch für ein gutes Leben in den Städten brauchen wir eine echte Verkehrswende. Der Lieferverkehr ist dafür ein wichtiger Ansatzpunkt. Das Projekt liefert damit auch einen Beitrag für die Verkehrsentwicklung in anderen deutschen Städten und zum Sofortprogramm ‚Saubere Luft'“.
Der Lieferverkehr in den deutschen Innenstädten nimmt zu, nicht zuletzt durch den Boom des Online-Handels. Allein 2016 wurden deutschlandweit rund drei Milliarden Pakete ausgeliefert, mehr als zehn Millionen Sendungen pro Werktag. Die Tendenz ist steigend. Damit einhergehend sind zugeparkte Geh- und Radwege sowie eine zunehmende Luftbelastung durch die Abgasemissionen. Eine Möglichkeit, den Lieferverkehr auf der letzten Meile umwelt- und verkehrsfreundlicher zu gestalten, ist der Einsatz von Cargo-Bikes. Dieser wird nun im Rahmen eines Projektes der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ausprobiert. Dabei werden sogenannte Mikro-Depots eingerichtet, die für die Zwischenlagerung und den Umschlag von Sendungen auf Lastenräder genutzt werden. Die Depots werden von den fünf größten Unternehmen der Logistikbranche zur individuellen Paketzustellung mit jeweils unternehmenseigenen Cargobikes zur Verfügung gestellt.
Das Projekt wird im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Klimaschutz durch Radverkehr“ unter dem Dach der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesumweltministeriums mit rund 400.000 Euro gefördert.
2. Gemeinsame Pressemitteilung der KoMoDo-Projektpartner, 30.5.2018
Modellprojekt in Berlin startet: Lieferverkehr mit Lastenrädern nachhaltig gestalten
Ab Juni nutzen die fünf größten Paketdienstleister Deutschlands gemeinsam einen innerstädtischen Umschlagplatz ausgestattet mit Mikro-Depots, um Prenzlauer Berg mit Lastenrädern zu beliefern. Die Zustellung führt jeder Paketdienst weiterhin eigenständig durch.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, haben heute in Berlin das Startsignal für das Pilotprojekt KoMoDo gegeben (Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lasträdern in Berlin). Erstmals nutzen mehrere Paketdienstleister einen innerstädtischen Umschlagplatz mit Mikro-Depots, der von einem neutralen Anbieter betrieben wird, der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA). An dem Modellprojekt beteiligen sich die Paketdienstleister DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS als Projektpartner. Sie nutzen je einen Container als Umschlagspunkt für die Zustellung von Sendungen mit unternehmenseigenen Lastenrädern auf den letzten Kilometern. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin und der Projektkoordinator, die LogisticNetwork Consultants GmbH, entwickelten das Modellprojekt gemeinsam mit den genannten Projektpartnern. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert.
Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: „Berlin ist mit dem Modellprojekt Vorreiter für den Einsatz von Lastenrädern auf der letzten Meile. Mit dem Lastenrad kommen die Pakete sauber, sicher, leise und klimafreundlich zu den Kundinnen und Kunden. Das ist ein Baustein für eine neue Mobilität in Berlin. Aber auch weit über Berlin hinaus wird das Projekt Erfahrungswerte für andere Kommunen liefern, wie der Lieferverkehr stadtverträglich gestaltet werden kann.“
Emissionsfreie Zustellung auf den letzten Kilometern
Für die Lastenradzusteller der Paketdienstleister DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS sind die Mikro-Depots während der einjährigen Projektphase Ausgangspunkt für die Auslieferung in das umliegende Liefergebiet. Dabei agieren die Unternehmen weiterhin eigenständig – von der morgendlichen Anlieferung der Sendungen in die Mikro-Depots über die Zwischenlagerung bis hin zur anschließenden Auslieferung zum Endkunden. Die Lastenradzusteller der Projektpartner werden täglich Geschäfts- und Privatkunden im näheren Umkreis „auf den letzten Kilometern“ emissionsfrei beliefern können.
Kooperative Flächennutzung für den effizienten Einsatz von Mikro-Depots
Ziel des Projekts ist es, nachhaltige Lösungen für den Lieferverkehr in städtischen Gebieten zu entwickeln und zu erproben. Der Fokus liegt auf kooperativen und anbieteroffenen Lösungen, um die knappen innerstädtischen Flächen optimal zu nutzen. Das Projekt ist ein Baustein, um den Lieferverkehr in Berlin und anderen Kommunen stadtverträglich zu gestalten. Langfristig gilt es zum einen, die Erkenntnisse und Ergebnisse des Modellprojektes in der KEP-Branche zu verankern, um Lerneffekte auch dauerhaft in die Geschäftsprozesse der Unternehmen zu integrieren. Zum anderen liefert das Projekt Erfahrungswerte zur systematischen Übertragbarkeit des Modells auf andere Kommunen.
Die deutsche Kurier-, Express-, Paket-Branche ist eingebunden
An dem Projekt KoMoDo wirken namhafte Verbände und Institutionen als assoziierte Partner mit. Dazu gehören der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V., der Bundesverband Deutscher Postdienstleister e.V., der Bundesverband Paket und Expresslogistik e.V. sowie das Deutsche Institut für Normung e.V. Die Einbindung dieser Branchenvertreter soll sicherstellen, dass die Anforderungen und Belange der gesamten Branche berücksichtig werden. Langfristig sollen aus dem Projekt übertragbare Lösungen für die letzten Kilometer der Zustellung entstehen.
Zitat des Betreibers
BEHALA
Herr Klaus-G. Lichtfuß, Leiter Logistik der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH: „Mit der BEHALA – Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH als neutralem Betreiber von Mikro-Depot-Anlagen besteht die Möglichkeit, mehreren Paketdienstleistern diskriminierungsfrei Teilbereiche einer Depot-Anlage zur Verfügung zu stellen und somit die klimaneutrale und nachhaltige Auslieferung von einem zentralen Punkt zu ermöglichen. Es ist somit nicht erforderlich, dass jeder Dienstleister sein eigenes Mikro-Depot errichtet. Es kann durch diese Bündelungseffekte eine optimale Flächennutzung erreicht werden.“
Zitate der Projektpartner
DHL
„DHL Paket liefert schon jetzt in Teilen Berlins Sendungen mit 40 StreetScooter-Elektrofahrzeugen leise und emissionsfrei aus. In der Zustellung per Lastenfahrrad sehen wir eine sinnvolle und auch attraktive Ergänzung für die Paketzustellung in einzelnen städtischen Bezirken. Wir freuen uns darauf, beim Berliner Pilotprojekt KoMoDo mitzuwirken und hierbei neue Auslieferungsmodelle praxisnah zu testen“, sagt Marc Rüffer, Abteilungsleiter Betrieb bei DHL Paket.
DPD
Für DPD erläutert Gerd Seber, Group Manager Sustainability & Innovation: „Unter günstigen Bedingungen kann ein Lastenrad im Zustellgebiet einen herkömmlichen Transporter adäquat ersetzen – das zeigen unsere Erfahrungen in anderen Städten. Logistikflächen in der Innenstadt sind für den Einsatz von Lastenrädern ein ganz entscheidender Faktor. Daher hoffen wir sehr, dass das bislang einzigartige KoMoDo-Projekt noch viele Nachahmer in ganz Deutschland finden wird.“
GLS
Marc Baumgarte, Region Manager Germany East der GLS Germany GmbH & Co. OHG: „Mit unseren City-Logistik-Aktivitäten testen wir eine Reihe von möglichen Maßnahmen, um im Rahmen unserer ThinkGreen-Initiative unseren Beitrag zur Minimierung der ökologischen Auswirkungen zu leisten. Wir freuen uns Teil dieses Programms zu sein, von dem wir uns Erkenntnisse für die Weiterentwicklung unserer Aktivitäten rund um Berlin erhoffen.“
Hermes
Michael Peuker, KoMoDo-Projektleiter bei Hermes Germany: „Wir wollen die anfallenden Emissionen im Transportverkehr kontinuierlich senken, insbesondere in den verkehrsbelasteten Innenstädten. Bereits vor einiger Zeit haben wir deshalb das Projekt „Urban Blue“ lanciert, dessen Ziel es ist, bis 2025 im Innenstadtbereich der 80 größten deutschen Städte emissionsfrei zuzustellen. KoMoDo ist für uns in diesem Zusammenhang ein weiterer wichtiger Baustein. Sollten sich Lastenräder und Mikro-Depots bei dem jetzigen Test in Berlin bewähren, planen wir vergleichbare Projekte auch in Hamburg und anderen Städten umzusetzen.“
UPS
Lars Purkarthofer, Leiter UPS Hauptstadtbüro Berlin: „Nachhaltigkeit liegt in der DNA von UPS. Wir sind das erste Unternehmen der Branche, das einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat und konkrete Ziele, etwa für die Reduktion von CO2-Emissionen, formuliert. Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir neue Lösungen für die sogenannte letzte Meile, die Zustellung beim Empfänger. City-Logistik-Projekte wie hier in Berlin sind nur möglich, wenn alle Beteiligten konsequent und konstruktiv zusammenarbeiten. Das nun in Berlin ins Leben gerufene Projekt der gemeinsamen Nutzung einer Logistikfläche von verschiedenen Paketdiensten bei gleichzeitig weiterhin eigenständiger Operation der jeweiligen Unternehmen, lässt den Wettbewerb zugunsten der Kunden bestehen. So kann es ein Leuchtturm-Projekt für andere Städte sein, um die innerstädtische Paketzustellung nachhaltiger zu gestalten.“
Gefördert durch:
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
- Nationale Klimaschutzinitiative