Vorteile oder Verbote: Was bringt neues Cargobike-Symbol der StVO?

Grafik: BMVI

Seit April 2020 gibt es ein eigenes Cargobike-Symbol n der StVO. Was kann damit beschildert werden?

[Update: Dieser Beitrag wurde am 12. Oktober 2020 in Bezug auf die Zulässigkeit eines Cargobike-Verbotsschildes leicht ergänzt]

Neben der eindeutigen Legalisierung des Transports von Erwachsenen ist das neue „Sinnbild Lastenrad“ die relevanteste Neuerung für Cargobikes in der StVO. Das Symbol trägt die offizielle Unterschrift „Fahrrad zum Transport von Gütern oder Personen – Lastenfahrrad“. So sieht es aus:

Das Bundesverkehrsministerium schreibt auf seiner Seite zu den StVO-Neuerungen:

Vereinfachung für Lastenfahrräder: Um speziell für Lastenfahrräder Parkflächen und Ladezonen vorhalten zu können, haben wir ein spezielles Sinnbild „Lastenfahrrad“ eingeführt, das die zuständigen Straßenverkehrsbehörden nutzen können.

Die Einführung des Sinnbildes könnte im Bundesverkehrsministerium zwei Hintergründe haben. Einen sehr sinnvollen und einen sehr zweifelhaften:

Bundesverkehrsminister Scheuer hatte im April 2019 auf dem Nationalen Radverkehrskongress in Dresden verkündet, 20 Prozent urbanen Lieferverkehr auf Cargobikes verlagern zu wollen. Dafür machen privilegierte Park- und Lademöglichkeiten speziell für gewerbliche Cargobikes Sinn. Der Bundesrat hat entschieden, das Sinnbild auch auf Cargobikes für den Personentransport (also meist privaten Kindertransport) auszuweiten. Das macht ebenfalls Sinn, um an Hotspots der privaten Cargobike-Nutzung bei Bedarf die Parksituation für alle Betroffenen (Cargobikes, klassische Fahrräder, Fußverkehr, …) effizienter und entspannter regeln zu können.

Der zweifelhafte Hintergrund des neuen Sinnbilds könnte ein Hang im Bundesverkehrsministerium zu mehr Regulierung von Radverkehr basierend auf dem Primat des Autos und entsprechender Vorstellungen von Verkehrssicherheit sein. Siehe die immer mal wieder aufkommende Helmpflicht-Debatte, der gescheiterte Versuch, das Parken von Fahrrädern am Fahrbahnrand zu verbieten und die jüngst angekündigte Absicht, Cargobikes in Breite und Gewicht zu beschränken:

Der Bund definiert den Begriff des Lastenrads im Rahmen der StVZO. Dabei wird folgende Definition vorgeschlagen: Ein-oder mehrspurige Transport-und Lastenfahrräder mit einer maximalen Breite von 1 m und einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 250 kg auch mit elektromotorischer Unterstützung oder als serieller Hybrid (bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h) zum Transport von Gütern und Personen.
(siehe Ergebnispapier: Urbaner Lastenverkehr wird Radverkehr des vom BMVI gesteuerten
Dialogforum Nationaler Radverkehrsplan 3.0, das an dieser Stelle keineswegs auf Konsens der beteiligten Verbände basiert)

Wegen dieses Hangs des BMVI zu restriktiver Regulierung des Radverkehrs sollte auch das neue Sinnbild Lastenrad einer kritischen Überprüfung unterzogen werden.

Markus Herbst von stvo2Go hat jüngst in seinem Beitrag 6 neuen Zeichen für Radfahrer 2020 darauf hingewiesen, dass – auch wenn es der erklärten Intention des Gesetzgebers widerspricht – mit dem neuen Symbol auch „grundsätzlich ein Verbot für Lastenfahrräder möglich ist“:

Grafik: Markus Herbst / stvo2go

Verbotsschild zulässig? (Update vom 12.10.2020)

Auf meine Nachfrage, ob Straßenverkehrsbehörden nun einfach ein Cargobike-Verbotsschild aufstellen können erklärte Markus Herbst jedoch:

In aller Regel scheitert ein solches Verbot im Zuge einer pflichtgemäßen Ermessensprüfung, da die Hürden zur Beschränkung des fließenden Verkehrs – dazu zählen auch Verkehrsverbote – sehr hoch sind.

Ohne erneute Änderung der StVO durch Bundesregierung und Bundesrat wäre ein Verbotsschild für Cargobikes also praktisch kaum umsetzbar. Wenden wir uns also den positiven Beschilderungen zu, die das neue Sinnbild für Lastenräder ermöglicht.

Parkplätze für Cargobikes

Der Berliner Senat hat das Sinnbild bereits vor offiziellem Inkrafttreten in seinen Regelplan zur Anlage von Lastenradparkplätzen am Fahrbahnrand aufgenommen. So sieht das in der Praxis in Berlin-Neukölln aus:

Auch in Marburg werden aktuell Cargobike-Parkplätze erprobt und mit dem neuen Sinnbild ausgezeichnet. Auf diesem Foto ist dabei auch gleich ein wichtiger Kritikpunkt an separaten Lastenradparkplätzen zu sehen:

Foto: freie Lasten Marburg

Wieso sollen für vielerorts (noch) sehr wenige Cargobikes separate Parkflächen reserviert werden wenn gleichzeitig nicht genug Parkplätze für alle anderen Fahrräder vorhanden sind? Siehe auch hier in Berlin-Neukölln:

Klar ist: Es braucht insgesamt viel mehr sichere Parkmöglichkeiten für alle Fahrräder. Wie das am konkreten Ort organisiert wird und, ob es sinnvoll ist, dabei separate oder gemeinsame Parkflächen für unterschiedliche Fahrradtypen auszuschildern muss im Einzelfall entschieden und sicherlich auch ausprobiert werden. Ich freue mich deswegen auf das NRVP-Projekt ALADIN der FH Erfurt, in dessen Projektbeirat ich mitwirken darf.

Vorrang für Cargobikes im Lieferverkehr

Doch zum Abschluss nochmal zurück zum Thema gewerblicher Lieferverkehr. Der oben erwähnte Beitrag von stvo2Go zeigt neue Beschilderungsmöglichkeiten für privilegiertes Halten und Parken von Lieferverkehr mit Cargobikes. Lesenswert! Welche Kommune probiert es als erste aus?

Schild Ladezone Lastenräder
Grafik: Markus Herbst / stvo2go

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung des Projektes CityChangerCargoBike. Das Projekt wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 769086 finanziert.


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